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Trickmisch

Babylonische Sprachentwirrung

Das mobile Trickfilm-Labor Trickmisch lädt dazu ein, auf kreative Weise Deutsch, aber auch andere Sprachen zu lernen.

 

Ein Berliner Klassenzimmer am Ende einer gefährlichen Fluchtroute: Aus Sicht der gerade angekommenen Schüler:innen dürften die fremden Klänge dieser ganz anderen Sprache mit ihrem seltsamen Rhythmus und ihrer merkwürdigen Melodie wie ein dichter, schwerer, zugezogener Vorhang vor der Bühne hängen, auf der sich die eigene Zukunft abspielen soll. Ziemlich entmutigend. Dann wird jedoch ein mobiles Trickfilm-Sprachlabor in der Schule aufgebaut, das es den Schüler:innen ermöglicht, eine Woche lang mit Bildern und Worten zu experimentieren. Während sie Figuren zeichnen, ausschneiden, animieren und ihre visuellen Botschaften vertonen und mit Texten ergänzen, beginnt sich der Vorhang langsam zu öffnen.

Trickmisch – so heißt dieses mobile Sprachlabor, dass die Filmemacherin und Kunstvermittlerin Julia Kapelle ursprünglich zusammen mit Nadin Reschke gründete, um ankommenden Schüler:innen einen spielerischen Zugang zur deutschen Sprache zu ermöglichen. Bereits seit 2014 führt das Trickmisch-Team, ausgerüstet mit einer Figurensammlung, Kameras, Tricktischen, Film-Schnittplätzen und einem Mini-Aufnahmestudio in Notunterkünften und Willkommensklassen an Berliner Schulen Workshops durch und weckt so die Begeisterung für den kreativen Umgang mit Sprache.

 

 

Das international besetzte Trickmisch-Team ermutigt alle Schüler:innen, sich anhand eigener Zeichnungen einzubringen. Manche haben anfangs Bedenken, ob sie gut genug zeichnen können, um einen eigenen Film zu kreieren, aber diese Selbstzweifel wissen die Teammitglieder zu zerstreuen. Sie zeigen den Zaudernden dann Bilder von anderen Schüler:innen und geben ihnen einige grundlegende Anleitungen, zum Beispiel bezüglich der Proportionen. Aus Sicht von Julia Kapelle geht es in erster Linie um Empowerment: „Das Wichtigste ist, dass es ihr eigener Film wird. Wir moderieren in diesem Prozess und unterstützen sie bei der Dramaturgie. Das Animieren im Legetrickverfahren und das Vertonen übernehmen sie dann aber selbstständig.“

 

Sobald die Workshop-Teilnehmer das kreative Potential des Trickfilms erkannt haben, arbeiten sie mit einer Begeisterung, die im Kontext Schule ansonsten wohl eher selten entsteht. „Die Atmosphäre morgens ist oft eher wie in einem Atelier. Wenn ich reinkomme, sitzen alle schon an den Leuchttischen und wollen anfangen. Es ist schön zu sehen, wie sie dann völlig eintauchen, wie sie die Pausen vergessen und wie stolz sie auf ihre Produkte sind“, erzählt Julia Kapelle. Dass all dies wirklich Spaß macht, hat vor allem damit zu tun, dass es keine vorgesetzte, langweilige Bildwelt ist, sondern eine von der Schüler-Community selbst entwickelte visuelle Sprache.

 

 

Um diese spielerische Lernmethode einer breiteren Zielgruppe zugänglich zu machen, entwickelte Julia Kapelle 2016 zusammen mit dem Programmierer und Künstler Paul Geisler ein digitales Tool namens Trixmix, in dem sie die analogen Zeichnungen der Schüler:innen aufnahmen und online nutzbar machten. Auf der Website kann man basierend auf dem kollektiv erstellten Vokabular eigene Filme kreieren und mit fast 900 Geräuschen vertonen. Dabei steht ein Lexikon mit derzeit über 5700 Bildwörtern zur Verfügung, in dem man alphabetisch oder nach visuellen Kriterien auswählt. Auch eigene Figuren lassen sich hinzufügen, wenn man sie vorab per e-mail an Trickmisch schickt.

Außerdem ist das Bildwörterbuch auch mit den Filmen vernetzt, man kann also den Ursprungsfilm zu jedem Zeichen finden oder nachschauen, welche Filme mit eigenen Zeichnungen entstanden sind. Darüber hinaus kann man mit den Zeichnungen und Begriffen zum Beispiel Arbeitsblätter erstellen und bearbeiten oder spielerisch die richtigen Wort-Bildpaare verbinden.

Zu den einzelnen Bildwörtern kann man sich außerdem von Schüler:innen gesprochene Audiofiles anhören. Nicht nur die deutschen Worte sind dort abrufbar. „Als wir merkten, wieviele Sprachen die Schüler sprechen, beschlossen wir, auch Worte aus anderen Sprachen aufzunehmen, zum Beispiel Arabisch, Farsi oder Vietnamesisch“, erklärt Julia Kapelle. Auf diese Weise entwickelte sich das Bildwörterbuch Schritt für Schritt zu einem interkulturellen Kommunikationswerkzeug, das inzwischen Beispiele aus 28 Sprachen umfasst.

 

WORTvorORT-Woche in Kooperation mit der Hans-Fallada-Schule in der Galerie im Körnerpark [Foto: Jörg Willmann]

Als die Covid19-Pandemie näher rückte, machten Paul Geisler und Julia Kapelle das Online-Tool Smartphone-tauglich. Auf diese Weise konnten sie auch Online-Workshops organisieren und vielen anderen den Zugang zum Sprachlabor erleichtern. Zusätzlich schufen sie auf der Website neue Möglichkeiten, das Thema Poesie, angepasst an das jeweilige Wortschatzniveau, spielerisch zu erkunden.

 

Insgesamt ermöglicht das Konzept, dass Schüler:innen ihre individuelle Kreativität in den Prozess des Spracherwerbs einspeisen und damit zugleich andere motivieren und anderen helfen. So schieben die Schüler den dichten schweren Vorhang der fremden Sprache schließlich gemeinsam beiseite und betreten – als aktive Mitglieder eines Ensembles – die Bühne ihrer eigenen Zukunft.

 

Spenden an den gemeinnützigen Verein:

trickmisch e.V.

IBAN: DE37 8306 5408 0004 2977 41

BIC: GENO DEF1 SLR

Infos:

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Saatguttüte: Salbei

 

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Designerin: Aurelia Durand