Die Halle
Bedeutsame Bewegung
Der Verein „Parkour Creation e.V.“ in Hamburg sorgt für eine besondere Art der Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen.
Parkour ist nicht einfach ein äußerst vielseitiger Sport, er ist auch eine Art Gleichnis: Mit Geschicklichkeit und Ausdauer finden sich immer Wege, um Hindernisse zu überwinden. Insofern ist Parkour auch eine besondere Art, die Welt zu betrachten – ein Spirit, der all jenen Mut macht, die in ihrem Leben noch ganz andere Hürden nehmen möchten. „Die Halle“ im Hamburger Oberhafenquartier, die 2017 auf dem Gelände eines ehemaligen Güterbahnhofs eröffnet wurde, ist ein Ort, wo dieser Spirit sofort erfahrbar wird. Der Parkour Creation e. V., gegründet von Sebastian Ploog, Felix Bornemann und Ben Gallinat, bietet hier ein breit gefächertes Programm für unterschiedliche Zielgruppen.
Von Anfang an spielten dabei Projekte zur Integration und Inklusion von Geflüchteten eine zentrale Rolle. So bietet die Halle beispielsweise offene, kostenlose Kurse und Feriencamps an, bei denen Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung gemeinsam mit gleichaltrigen Hamburgern unter professioneller Anleitung die Parkour-Grundlagen erlernen. Über solche Einstiegsmöglichkeiten hinaus bietet Die Halle in Kooperation mit verschiedenen Flüchtlingsunterkünften, Wohnprojekten und Initiativen auch mehrmonatige Workshops. Für diese Zwecke nutzt der Verein den eigens eingerichteten „Live Free, Run Free“-Fonds, der auch eine finanzielle Unterstützung für Mitgliedschaften ermöglicht.
Das Projekt „Luftsprünge“ richtet sich speziell an Mädchen und junge Frauen. Gemeinsam erlernen sie, durch Parkour auch andere Herausforderungen zu meistern. Ziel ist es, das Selbstbewusstsein der Teilnehmerinnen zu stärken und sie zu befähigen, auch kulturelle, gesellschaftliche und mentale Hürden eigenständig zu überwinden. „Wir möchten mit diesem Angebot außerdem eine Blaupause für andere Städte liefern, die Parkour speziell für diese Ziele nutzen möchten“, erklärt Projektleiterin Jette Krauss.
Neben den sportlichen Aspekten macht die Halle auch das kreative Potential von Parkour erfahrbar. Denn aus Sicht des Vereins geht es hier grundsätzlich auch immer darum, „sich in Bewegung auszudrücken, genau so, wie man eben ist“. Diese expressive Dimension wird besonders in den Theaterprojekten deutlich, welche die Choreographin und Regisseurin Rica Blunck leitet. Hierbei werden zum Beispiel die Geschichten der Teilnehmer:innen in Wort und Bewegung für die Bühne inszeniert und aufgeführt. In den gemischten Gruppen aus Geflüchteten, Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Alteingesessenen lernen die Akteure, Bewegung in der Gemeinschaft als Mittel des kreativen Ausdrucks und für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und künstlerischen Themen zu nutzen. Durch die universelle Sprache der Bewegung gelingt es dem offenen Ensemble dabei, auch Sprachbarrieren spielend zu überwinden.
All diese verschiedenen Formate sollen den Teilnehmer:innen Wege aufzeigen, Teil der Halle-Community zu werden. Der gemeinnützige Verein setzt sich mit seinem Programm neben der Integrationsarbeit auch für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche ein und bietet zudem Projekte zur Inklusion von jungen Menschen mit besonderen körperlichen und geistigen Herausforderungen. Außerdem kooperiert der Verein mit Theater-, Schul- und Jugendprojekten aus fast allen Hamburger Stadtteilen. Und auch allen Anderen steht die Halle für die sportliche Betätigung offen – unabhängig von Alter, Religion, Geschlecht oder Herkunft. Warum aber funktioniert das Miteinander hier so viel besser als anderswo? „Parkour vermittelt frei von Regeln und Konventionen einen gesunden und respektvollen Umgang mit sich und Anderen“, erläutert das Team.
Der Verein engagiert sich auch weit über die Hamburger Grenzen hinaus. So reiste 2018 beispielsweise eine Gruppe für zwei Wochen in den Irak, um unter dem Motto „Creating the Us“ die dortige Parkour-Community dabei zu unterstützen, interkulturelle Dialogmöglichkeiten zu schaffen und dadurch langfristig die Konfliktprävention zu stärken. „Bei stundenlangen Trainings in der sengenden Mittagshitze wurden Freundschaften geschlossen und herzliche Einladungen in die jeweils andere Stadt ausgesprochen. Es wurde klar: Bewegung kann als Bindeglied zwischen allen Menschen fungieren“, resümiert das Team, das in Zukunft weitere Projekte im Irak vorantreiben will.
Völkerverständigung mittels Parkour fördert Die Halle außerdem mit dem Event „Gravity Sucks Jam“, das seit 2016 jährlich – außer in Corona-Zeiten – in Hamburg stattfindet. Zuletzt kamen hier 320 Teilnehmer aus 35 Nationen zusammen, um gemeinsam zu trainieren – und mittels Bewegung auf vielfältige Weise miteinander zu kommunizieren.
Introbild:
[Foto: © Parkour Creation e.V.]