Grandhotel Cosmopolis

Raum für Wandel

Das „Grandhotel Cosmopolis“ in Augsburg bringt unter einem Dach viele verschiedene Menschen zusammen und zeigt, dass alle Beteiligten von dieser Koexistenz profitieren.

 

Ein ausgedientes Altenheim als Keimzelle für neue, experimentelle Lebensformen? Das klingt erstmal nach einer ziemlich realitätsfernen Idee. Ziemlich realitätsfern ist jedoch nicht die Idee, sondern das vorschnelle Urteil. Denn tatsächlich bezog in Augsburg in einer ehemaligen Seniorenresidenz das Grandhotel Cosmopolis Quartier und vereint dort unter einem Dach eine Unterkunft für Geflüchtete, ein Hotel, eine Kantine, eine Café-Bar, Ateliers, Werkstätten und Veranstaltungsräume.

 

Zimmer „Leuchturm“ von Lena Gätjens [Foto: © Frauke Wichmann]

Das 60er-Jahre Gebäude – 7 Stockwerke mit 66 Räumen und einer Gesamtfläche von rund 2.600 Quadratmetern – stand seit 2007 leer. Ab 2011 beteiligten sich knapp 500 Menschen freiwillig an der Neugestaltung des Hauses. Die Diakonie vermietet das Gebäude dem Konzept entsprechend teils an die Regierung von Schwaben, welche dort seit 2013 die Asylunterkunft für rund 65 Bewohner:innen führt, und teils an den 2012 gegründeten Verein Grandhotel Cosmopolis e.V., der die übrigen Räume auf vielfältige Weise nutzt. Neben dem Hotelbetrieb organisiert das etwa 12-köpfige Team auch Konzerte, Lesungen, DJ-Abende, Ausstellungen, Performances und Theateraufführungen – pandemie-bedingt war dies in letzter Zeit allerdings kaum möglich.

 

Für die Initiator:innen spielt die gesellschaftliche Relevanz des Konzepts eine zentrale Rolle: „Freiheit, Eigenverantwortlichkeit und Solidarität sind die Säulen des Menschenbilds, das die Basis für das Grandhotel darstellt“, erklärt der Verein. Er versteht das Projekt als ein Gesamtkunstwerk, das von Joseph Beuys’ erweitertem Kunstbegriff und seiner Idee der sozialen Plastik inspiriert ist.

 

Das Projekt finanziert sich einerseits durch die Erlöse des Hotels und der Gastronomie, andererseits durch Spenden an den gemeinnützigen Verein. Außerdem erhält das Team von der Stadt Augsburg einen Zuschuss für die kulturelle Arbeit.

 

Auch der Hotelkorridor erhielt neuen Glanz [Foto: © Frauke Wichmann]

Für die Gestaltung der 12 Hotelzimmer engagierte der Verein einige Künstler:innen, die den Räumen jeweils eine individuelle Atmosphäre verliehen. Dabei blieb die Authentizität der Zimmer oftmals erhalten, sodass ihre Geschichte Teil der Neugestaltung ist, zum Beispiel im Zimmer „Grande Dame“ von Esther Irina Pschibul oder im Raum „Leuchturm“ von Lena Gätjens.

Lotte Lindner und Till Steinbrenner schufen unter dem Titel „Irgendwo“ einen Raum im Raum: Ihre hölzerne Kabine, durch deren kleine Fensteröffnung man nichts als Himmel sieht, soll Zuflucht bieten und macht zugleich erfahrbar, was es bedeutet, vollkommen aus einem vertrauten Kontext herausgelöst zu sein.

 

 

Zimmer „Irgendwo“ von Lotte Lindner & Till Steinbrenner [Foto: © Frauke Wichmann]

In der cosmopolitischen Küche der Grand Cuisine kochen Leute mit unterschiedlicher Herkunft „traditionelle und experimentelle Gerichte“. Für ihre vegetarischen und veganen Speisen verwenden sie, wie auch das Café, Zutaten in Bio-Qualität, die vorwiegend aus der Region stammen. Die Preise des Hotels, der Kantine und der Café-Bar sind flexibel konzipiert. Auf Basis eines Minimalwerts entscheiden die Gäste, wieviel sie zahlen können oder wollen. Dieses Modell ermöglicht auch Menschen mit geringeren finanziellen Mitteln den Zugang zu den Angeboten und appelliert zugleich an das Verantwortungsbewusstsein und die Solidarität der anderen. Die Praxis zeigt: Es funktioniert!

 

Auf diese Weise ist es dem Grandhotel Cosmopolis gelungen, einen Treffpunkt für Reisende und Ortsansässige, für Gäste mit und ohne Fluchterfahrung, für Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten und Generationen zu schaffen. Der Verein gewann hierfür bereits zahlreiche Preise, beispielsweise 2016 die Theodor Heuss Medaille für gesellschaftliches Engagement, Zivilcourage und Einsatz zur Förderung unserer demokratischen Grundordnung. Darüber hinaus erhielt er auch den Sonderpreis des Deutschen Städtebaupreises 2016 der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL).

 

Während überall in deutschen Städten viele noch nutzbare Häuser zwecks Neubebauung abgerissen werden, verhalf der Grandhotel Cosmopolis e.V. dieser scheinbar toten Architektur zu einer erstaunlichen Metamorphose. Er ließ darin Lebensformen gedeihen, von denen nicht nur Geflüchtete profitieren, die statt Ausgrenzung Unterstützung und soziale Teilhabe erfahren, sondern auch viele andere Bevölkerungsgruppen. Alle gemeinsam tragen dazu bei, der Idee einer besseren, gerechteren Stadtgesellschaft facettenreiche Formen zu verleihen.

 

 

 

 

Introbild:

Zimmer „Grande Dame“ von Esther Irina Pschibul [Foto: © Frauke Wichmann]



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